Susanne Mühleisen (Frankfurt/Main) Emil Schwörers Kolonial-Deutsch (1916).
|
Die Umgangssprache ist die deutsche Sprache. Fast alle Eingeborenen verstehen ganz gut deutsch. Wenn man sich mit einem Eingeborenen nur schwer oder gar nicht verständigen kann, dann ist es ratsam, einen anderen Eingeborenen hinzuzuziehen, von dem man weiß, daß er deutsch gut versteht und spricht. Sehr häufig sagt nämlich der Eingeborenen "ja" zu allem, hat aber eigentlich nichts verstanden. Man ist dann ungehalten, wenn er seine Sache falsch macht, deshalb überzeuge man sich vorher, ob er auch alles richtig verstanden hat. (Von Gleichen 1914: 30) |
Es ist natürlich bei der Verschiedenheit der Texte und Autoren bei dem einen handelt es sich um eine ideologische Kampfschrift, bei dem anderen um einen praktischen Ratgeber für angehende Farmer in Südwest schwierig zu beurteilen, ob die Bedeutung des Deutschen als Kommunikationsmittel tatsächlich zugenommen hatte. Der stetige Anstieg der Siedler, die in dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts von Deutschland nach Südwest Afrika auswanderten4, lässt jedoch vermuten, dass es tatsächlich zu Kommunikationsszenen, wie von Gleichen sie beschreibt, gekommen sein mag.
Aber auch für Schwörer stand als Beweggrund für seinen Vorschlag weniger die Notwendigkeit der Kommunikation mit den diversen einheimischen Sprachgruppen im Vordergrund, als vielmehr, der schon bestehenden sprachlichen Dominanz von Englisch und Afrikaans etwas entgegenzusetzen5. In seinem Vorwort macht er deutlich, dass der Zweck des Buches über die unmittelbaren Kommunikationsprobleme hinausgeht. Schwörer sieht seinen Beitrag im Zeichen eines generellen Wettlaufs um ökonomische und politische Dominanz zwischen den europäischen Kolonialmächten:
Als völkisch denkende Vaterlandsfreunde dürfen wir daher vor kleinen sprachlichen Opfern, die sich tausendfach lohnen, nicht zurückschrecken. Dies gilt gerade jetzt um so mehr, als es sich auch nach den Friedensschlüssen um einen schweren Wettkampf unserer Sprache mit der englischen handeln wird, die ihr durch ihre Einfachheit, ihre leichte Erlernbarkeit und Verbreitung in allen Erdteilen leider ohnehin so sehr überlegen ist. Deshalb darf uns unsere Muttersprache im internationalen Wettbewerb nicht eine hindernde Schranke sein; sie soll vielmehr zu einem der wichtigsten Verständigungsmittel der Welt werden, uns selbst aber zu einer modernen sprachlichen Waffe im künftigen wirtschaftlichen Völkerkrieg […]. (Schwörer 1916: 6) |
Die Motivation für Kolonial-Deutsch wird in der Einleitung äußerst ausführlich dargelegt. Es hat hier den Anschein als ob Schwörer befürchtet, dass die "sprachlichen Opfer" einer reduzierten Version des Deutschen nicht von der weiteren Öffentlichkeit in Deutschland akzeptiert würden. Wie Schwörer versichert, würde diese neue Sprache nur in den Kolonien angewendet und hätte keinen Einfluss auf das Hochdeutsch, das zuhause gesprochen wird und auch nicht auf die Sprache der Deutschen untereinander in den Kolonien. "Das K.[olonial]-D.[eutsch] soll und will nicht anderes sein als eine dürftige, aber sehr brauchbare Arbeitsmagd neben ihrer vornehmen hochdeutschen Schwester" (Schwörer 1916: 20). Schwörer sieht dagegen eine ganze Reihe von Vorteilen eines Kolonial-Deutsch, wie er in seiner Einleitung ausführt und die wie folgt zusammengefasst werden können:
In Anbetracht solcher Aussichten [der Vorteile des K.D.] werden die opponierenden Stimmen jener Kritiker nicht durchdringen, die die koloniale Sprachreform mit Scheingründen oder mit den Waffen des Spottes bekämpfen und vielleicht von "Pidgin-Deutsch" im Sinne einer Sprachverschlechterung oder gar einer "Verhunzung" der deutschen Sprache reden werden. Der Vergleich mit dem Pidgin-Englisch wäre nur insoferne berechtigt, als auch dieses eine bedeutende Vereinfachung und Erleichterung des Geschäftsverkehrs bezweckt (weshalb noch kein praktischer Engländer oder Amerikaner diese häßliche Sprache bekämpft hat). Im Uebrigen aber aber muß jede Verwandtschaft zwischen dem korrumpierenden Pidgin-Englisch und dem systematisch gebildeten K.D. entschieden abgelehnt werden. (Schwörer 1916: 25f.). |
Im letzten Argument wird deutlich, dass Schwörer Kolonial-Deutsch neben dem praktischen und politisch-ökonomischen Nutzen auch aus sprachideologischen Gründen für notwendig hält. Offenbar wird hier die mechanische Regelvereinfachung als "höherwertig" angesehen als natürliche Simplifizierungsprozesse, wie sie in Pidgins nachzuvollziehen sind.
Schwörers nachdrücklicher und wiederholter Verweis auf Pidgin-Englisch läßt jedoch die Vermutung zu, dass er auch einige der Eigenschaften dieser Kontaktsprachen für sein Kolonial-Deutsch heranzieht. Als weiteres Modell und einflussreiche Quelle auf seine Auswahl an Reduzierungsmerkmalen gibt er einen anderen zeitgenössischen Vorschlag für ein künstlich simplifiziertes Deutsch an (z.B. Schwörer 1916: 6), nämlich das Weltdeutsch von Adalbert Baumann, "[…] wenn auch "Kolonial-Deutsch", das zunächst nur für unsere Kolonien bestimmt ist und den besonderen afrikanischen Verhältnissen (namentlich in lautlicher Beziehung) Rechnung zu tragen hat, zum Teil andere Wege einschlagen muß als das universelle "Welt-Deutsch" (Schwörer 1916: 6). Baumanns Ausführungen zu Weltdeutsch wurden ebenfalls 1916 publiziert, waren jedoch zuvor schon in Vorträgen öffentlich gemacht worden. Im Unterschied zu Kolonialdeutsch war Weltdeutsch nicht für den spezialisierten Gebrauch in den Kolonien gedacht, sondern als generelles internationales Kommunikationsmittel "für unsere Bundesgenossen und Freunde!", wie im Titel der Veröffentlichung (Baumann 1916) vermerkt ist6. Als dritte Quelle, die Schwörers Auswahl an sprachlichen Merkmalen beeinflusst haben mag, kommt noch Schwörers Kenntnis zumindest erscheint dies im Text impliziert von Swahili7 und/oder anderen Bantu-Sprachen. Schwörer erwähnt phonologische und grammatikalische Bantu-Strukturen im Zusammenhang mit Überlegungen zu lexikalischen Präferenzen ("leichter oder weniger leicht auszusprechen") oder auch bei der Entscheidung, im Kolonialdeutsch nur ein grammatikalisches Geschlecht zu bestimmen: "Auch das sonst ziemlich formenreiche Kisuaheli hat (gleich anderen Bantu-Sprachen) überhaupt keinen bestimmten oder unbestimmten Artikel und daher auch keine erkennbare Verschiedenheit des Geschlechts der Hauptwörter" (Schwörer 1916: 29).
Schwörer macht zwei graduell verschiedene Vorschläge, wie "das koloniale Sprachproblem" gelöst werden kann, und zwar beschreibt er diese als "System A" eine Art Minimallösung und als das sehr viel weiter gehende und detailreicher dargelegte "System B".
System A: stellt lediglich zwei Kriterien auf:
Hinzu kommen nicht weiter spezifizierte Vereinfachungen im Satzbau.
System B: baut auf System A auf, stellt aber eine wesentlich radikalere Lösung dar:
I. Lexikon wie in System A
II. Grammatik
III. Schreibweise
Wie genau diese Regeln implementiert werden sollten bleibt ziemlich vage in Schwörers Vorschlag. Selbst wenn diese Regeln in einer Sprachlernsituation eingesetzt werden, scheint es doch denkbar unwahrscheinlich, dass Muttersprachler in einer alltäglichen Sprachsituation im Umgang mit einheimischen Sprechern und Sprecherinnen oder gar anderen Deutschen diese Regeln konsistent anwenden würden. Viel wahrscheinlicher ist es, dass ein Muttersprachler mit den Nichtinitiierten sogenannte "foreigner talk"-Strategien, d.h. generelle natürliche Vereinfachungsstrategien gegenüber Sprachlernenden verwendet (siehe z.B. Hinnenkamp 1982) die zum Teil auch in Kolonialdeutsch vorkommen10, so z.B. der Gebrauch der unkonjugierten Infinitivform des Verbs oder das Wegfallen des Artikels im Deutschen. Trotz gewisser Ähnlichkeiten zwischen Kolonialdeutsch und solchen natürlichen Reduktionsmerkmalen (siehe auch 3. 2.) erscheint ein Erfolg in der praktischen Anwendung von Kolonialdeutsch fraglich:
Während Schwörer keine detaillierten Angaben macht, wie die praktische Umsetzung vonstatten gehen soll, gibt er einige konstruierte Dialoge in verschiedenen Situationen als Beispiele dafür an, wie die Kommunikation in Kolonialdeutsch funktionieren soll:
Beispiele von Kolonialdeutsch in konstruierten Dialogen und Schrift
1. Sprachprobe (p. 56): Gespräch eines Weißen mit einem Eingeborenen
W (Plantagenbeamter): "Bist du bei unsere Pflanzung? Kannst du Deutsch?"
E (Eingeborerer, intelligent): "Ja wohl, bana. Ich bin bei Ihre Pflanzung. Ich kann Deutsch.
Ich kann sagen Alles in Deutsch und ich kann verstehen nun alle Menschen seit 4 Wochen.
W: "In was für eine Schule bist du gewesen?"
E: "Ich bin nit gewesen in Schule; ich tat lernen de neue Sprache von einige Kameraden, die
sind gewesen in Schule von de Mission."
W: "Ist dir schwer gewesen, Deutsch lernen?"
E: "Nein, bana, gar nit schwer. De neue Sprache ist gut für die Eingeborenen; de ist leicht für
uns, weil de hat nit viele Worten. Ich habe können sagen keine deutsche Wort vor fünf oder
sechs Monaten. Niemand tat verstehen mir an Anfang. Das ist gewesen nit gut für meine Arbeit. De Vormann (Aufseher) tat zanken mir oft; ich habe nit können verstehen, was er tat befehlen. Ja, de neue Sprache ist sehr gut für uns."
[…]
2. Sprachprobe (p. 57): Der Sprachunterricht
Aufseher (Eingeborener, der gut K.D. spricht): "Ich will nun wieder halten Schule für
euch, weil ich habe Zeit an diese Abend für eine halbe Stunde. Aber ihr müßt gut aufpassen;
denn ihr müßt lernen de deutsche Sprache so schnell wie möglich. Also aufpassen! A, sagen
mir, was ist das?" (zeigt seine Hand)
A (Anfänger): "Diese sein Ande".*
Aufseher: "Gut, aber du mußt sagen: "Das ist eine Hand". B, sagen mir, was ist diese Sache?"
(zeigt eine Grammatik).
B (Anfänger): "Diese Sage ise eine Buge fü leanen de deitse Spage."*
Aufseher: "Ja, ist recht, aber deine Sprache ist noch nicht gut." (korrigiert B) "So nun will ich wieder C fragen. Ich tat gestern fragen de gleiche Sache." (zeigt ein Kaiser-Bild) "er ist das, C? Tust du nun wissen?"
C (Anfänger, sehr ungewandt): "Ne, ise glose Mann, abe ig wissen nit, was ise."*
[…]
* [Fußnote im Originaltext] Hier soll annähernd die Aussprache der noch ungeübten Eingeborenen (Abschleifung der Wörter, Beifügung eines Vokals als Endung) zum Ausdruck gebracht werden. Es müßte sehr viel Zeit überflüssiger Weise darauf verwendet werden, wenn man den Schwarzen die sehr zahlreichen schwierig auszusprechenden Wörter des H.D. [Hochdeutsch] einigermaßen richtig beibringen wollte.
Die letzte der Sprachproben soll hier zeigen, dass Kolonial-Deutsch auch für kompliziertere Sachverhalte und in formaleren Registern eingesetzt werden kann als nur für reduzierte und direkte Kommunikationsbelange:
3. Sprachprobe (p. 58-59): Unsere Kolonien
Unsere Kolonien sind gewesen vor de letzte große Krieg viel zu weit aus einander. Unsere
Feinden haben daher können angreifen von alle Seiten und mit alle Mitteln, auch mit eine
große Zahl von Krieg-Schiffen. Das ist gewesen eine sehr böse Zeit für uns alle, für die Deutschen, aber auch für die Eingeborenen und wir haben nicht können halten alle unsere
Kolonien. Diese müssen von nun an mehr zusammen liegen; angreifen ist dann schwer möglich und man hat mehr Respekt vor uns.
[…]
Abgesehen von der etwas plumpen konstruierten Lobhudelei für den eigenen Sprachentwurf erscheinen die Dialoge auch aus anderen Gründen als unrealistisch. Eine Konstruktion wie "Ist Dir schwer gewesen, Deutsch lernen" (Sprachprobe 1) ist relativ komplex, mit Dativ-Markierung des Pronomens 'Du Dir' und der Partizip Perfekt-Bildung des Verbs 'sein ist gewesen', die Vereinfachung im Vergleich zum Hochdeutsch liegt hier also höchstens in der Wahl des Verbs und im Wegfallen des 'zu' bei dem Infinitivkomplement lernen. Ausdrücke wie Schule halten (Sprachprobe 2) sollen verdeutlichen, wie durch Kombination von Basiswörtern der Wortschatz reduziert werden kann. Dennoch scheint es arbiträr und zu sehr an den Transfer aus dem Hochdeutschen ('Unterricht (ab)halten') angelehnt, wo das Verb 'halten' schon eine metaphorische Erweiterung erfahren hat. 'Schule machen' wäre daher mindestens so plausibel und semantisch transparenter.
Ob Kolonial-Deutsch einen Praxis-Test bestanden hätte oder nicht, kann heute wohl nicht mehr nachgeprüft werden. Durch den Vergleich mit einigen natürlichen Kontaktsprachen lässt sich jedoch nachvollziehen, ob das Konstrukt Schwörers an natürliche Reduktionsprinzipien angelehnt ist, oder ob es sich gänzlich von den Varitäten unterscheidet, die sich aus genuinen Kontaktsituationen gebildet haben. Im folgenden sollen daher einige der häufigsten Vereinfachungsprinzipien in frühen Stadien des Zweitspracherwerbs (Basic Variety) und in Kontaktvarietäten mit deutscher lexikalischer Basis (Unserdeutsch, Gastarbeiterdeutsch) mit denen des Kolonial-Deutsch verglichen werden.
Bei den drei genannten Vergleichsvarietäten handelt es sich um durchaus sehr unterschiedliche Varietätstypen, die verschiedene Stadien der Involvierung im Sprachkontakt darstellen:
Im Vergleich mit den von Schwörer gemachten Vorschlägen für Kolonial-Deutsch gibt es einige Gemeinsamkeiten, aber auch eine Reihe von Unterschieden:
Basic Variety | Kolonial-Deutsch | |
Keine funktionalen Flexionen | + | |
Wortschatz hauptsächlich aus lexikalischen Kategorien | + | + |
Minimales Pronominalsystem | + | |
Einzelner Negator | + | + |
Wenig Zahlwörter | + | |
Keine Komplemente | + | |
NP-V-NP Struktur | + | + |
Agens-Verb-Patiens Struktur | + | + |
Simple Thema-Rhema Struktur | + | ? |
Kaum Subordination | + | +/ |
Temp. Adverbien als Zeitreferenz | + | + |
Die wenigen Sprachbeispiele in K.D. lassen natürlich nur begrenzte Rückschlüsse auf, beispielsweise, pragmatische Beschränkungen zu. Der in Beispiel 1 aufgeführte Satz "Ist Dir schwer gewesen, Deutsch lernen" zeigt jedoch, dass hier die Thema-Rhema Struktur nicht die einfachste Form aufweist. Die Einleitung mit dem hervorgehobenen, neuen Informationsteil (Rhema: "ist Dir schwer gewesen") und dem anschließenden Thema ("Deutsch lernen") ist zumindest eine markiertere Form der Satzperspektive als die Thema-links Rhema-rechts Variante.
Subordination soll zwar im Kolonialdeutsch explizit vermieden werden, kommt aber de facto auch bisweilen vor (siehe Sprachbeispiel 1). Die NP-V-NP Struktur gilt jedoch auch für das Kolonial-Deutsch, und zwar nicht nur im Hauptsatz ("ich tat lernen de neue Sprache von einige Kameraden"), sondern auch im Nebensatz ("die sind gewesen in Schule von de Mission"). Das K.D. umgeht so die besondere Schwierigkeit für Sprachlerner im Deutschen ("H.D."), dass es zwar im Hauptsatz eine SVO-Struktur hat, die sich aber in Nebensätzen zur SOV-Struktur wandelt.
"Couldn't natural languages be much simpler?", fragen Klein & Perdue (1997) im Titel ihres Aufsatzes zu den Prinzipien von Basic Variety, das ja eine Art Abstraktion der frühen Stadien von Lernersprachen darstellt. Die Frage ist, ob natürlich vorkommende Kontaktsprachen tatsächlich ähnlich konsistent einfach strukturiert sind. Der Blick richtet sich daher auf einen Vergleich zwischen Kolonialdeutsch und den beiden vorgenannten deutsch-basierten Kontaktsprachen.
Hier fallen einige Unterschiede zum Kolonial-Deutsch auf, beispielsweise
UNSER- DEUTSCH |
GASTARBEITER- DEUTSCH |
KOLONIAL- DEUTSCH |
|
Bestimmte Artikel | | +/ | + |
Flexion von Hilfsverben | | | + |
Inversion im Fragesatz | | | + |
Wie hier gezeigt wird, ist die Satzgliedstellung bei einem Fragesatz wie "Bist Du bei unsere Pflanzung?" (Sprachprobe 1, oben) eher untypisch und würde in beiden Beispielen von natürlichen Kontaktvarietäten durch Veränderung der Intonation im Aussagesatz realisiert ("Du bist/sein bei unsere Pflanzung?")
Wie Mühlhäusler (1984: 54) jedoch in seinem ausführlichen Vergleich von verschiedenen Pidgin-Deutsch Varietäten anhand von Bickertons Merkmalliste11 für Kreolsprachen aufweist, gibt es überraschend wenig Konsistenz, was die sprachlichen Charakteristika von vereinfachten Varietäten des Deutschen angeht12. Dies betrifft nicht nur den Unterschied zwischen den natürlich vorkommenden Varietäten, sondern auch den Unterschied zwischen natürlichen und künstlich konstruierten Varietäten. Auch weisen einige der natürlich vorkommenden Pidgin und Kreol-Varietäten "untypische" Merkmale, wie beispielsweise den Einsatz eines Kopulaverbs auf beides auch Teil der grammatikalischen Merkmale von Unserdeutsch und Gastarbeiterdeutsch, sowie auch von Schwörers Kolonial-Deutsch.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auf eine ganze Reihe von Merkmalen, die die natürlichen Kontaktsprachen und dem Kolonial-Deutsch gemeinsam haben, vielleicht weil sie grundsätzlichere Kernmerkmale sind, z.B. dass Präpositionen multifunktional sind, dass die Verben weitgehend im Infinitiv erscheinen. Auch die Reduzierung des Lexikons auf einen Basiswortschatz mit den dazugehörigen lexikalischen Expansions-Strategien, wie es im Kolonial-Deutsch vorgeschlagen wurde, sind generelle Merkmale von natürlichen Pidgin-Sprachen13.
In der Diskussion über den "Realitätsbezug" von Kolonial-Deutsch bietet sich ein Exkurs über eine weitere Varietät an: Zwar wurde Kolonial-Deutsch im damaligen Südwest-Afrika nie eingesetzt, dennoch hat die deutsche Präsenz ihre sprachlichen Spuren im kolonialen und nach-kolonialen Namibia hinterlassen. Dies gilt vor allem für das Hochdeutsch (siehe auch unter 2.), das viele Nachfahren deutscher Siedler pflegen. Darüber hinaus gibt es allerdings auch eine bislang wenig beachtete Kontaktvarietät, die von schwarzen Namibiern mit unterschiedlichem muttersprachlichen Hintergrund als Zweitsprache gesprochen wird. In ihrer Studie zu Sprachkontakt und Zweitspracherwerb untersucht Deumert (2003) die Präsenz und Struktur des Namibian Black German (oder "Küchendeutsch", wie es auch von seinen Sprechern genannt wird). Da die meisten Küchendeutsch-Sprecher über 50 Jahre alt sind, so Deumert, kann man davon ausgehen, dass diese Kontaktvarietät in geraumer Zeit aussterben wird. Jüngere schwarze Namibier orientieren sich stärker an Englisch oder Afrikaans als inter-ethnische Kommunikationssprachen, beide Sprachen wurden in unterschiedlicher Weise Afrikaans vor und Englisch nach Namibias Unabhängigkeit im Jahre 1990 durch die Sprachpolitik des Landes gefördert.
Die Entwicklung von Küchendeutsch scheint duch die sozio-politischen Verhältnisse unter dem Apartheid-Regime unter ähnlichen Bedingungen verlaufen zu sein, wie sie typischerweise bei Kontaktsprachen zu finden sind:
The legal, political as well as socioeconomic isolation of the African population defined a contact situation vaguely reminiscent of the colonial settlements on which many pidgins and creoles developed: access to the lexifier was limited and restricted to the work environment, and acculturation to the superstrate community was even in principle impossible. (Deumert 2003: 577) |
Die Autorin sieht Küchendeutsch als einen Grenzfall zwischen Pidgin und Interlanguage an, schließlich erfolgte der Spracherwerb von Deutsch eher unter individuell verschiedenen (Arbeits-)bedingungen. Wenngleich der Gebrauch von Küchendeutsch hauptsächlich der Verständigung zwischen schwarzen Namibiern und deutschsprechenden weißen Namibiern vorbehalten ist, gibt es doch auch bestimmte Situationen, wo Deutsch auch über diese spezielle inter-ethnische Kommunikation hinaus eine Rolle spielt, "these include conversational banter, ritual insults and verbal duelling, swearing, the keeping of secrets as well as instances of conversational Afrikaans-German code-mixing" (Deumert 2003: 577).
Deumert analysiert in ihrer Studie die Merkmale im Küchendeutsch von vierzehn Informanten und Informantinnen verschiedener Muttersprachen, die alle zwischen 1920 und 1949 geboren wurden14. Hierbei ergibt sich ein sehr viel differenzierteres Bild über die Variation und Präferenz bei bestimmten Merkmalen15:
Ein Vergleich zwischen Kolonialdeutsch und Küchendeutsch kann hier nicht vorgenommen werden, da Deumerts Studie sich hauptsächlich mit Variation und Präferenz von verschiedenen Tempus-Markierungen beschäftigt. Man kann jedoch feststellen, dass das Wegfallen der Genus-Markierungen im Kolonialdeutsch sich in der genuinen Kontaktsprache Küchendeutsch wiederholt. Tempus-Konstruktionen aus den Beispielen in Kolonialdeutsch wie "[er] tat zanken" oder "[ich] tat gestern fragen" erscheinen jedoch eher unwahrscheinlich und würden in Küchendeutsch plausibler als AUX + PP, d.h. hier einer Form von 'haben' + 'gezankt' (weniger häufig: -en Form, 'gezanken') bzw. 'gefragt' realisiert.
Der Vergleich zwischen Kolonialdeutsch und echten Pidgins und Zwischensprachvarietäten wirft die Frage auf, inwieweit Pidgins auch als Modelle für künstliche Sprachen gelten können. Letztlich haben Pidgins mit künstlichen Sprachen (wie eben Kolonial-Deutsch) gemeinsam, dass sie beides Hilfsprachen sind, die für den nicht-muttersprachlichen Gebrauch bestimmt sind und oft für recht spezialisierte und zugleich begrenzte Zwecke eingesetzt werden. Der Unterschied besteht darin, dass die einen natürliche und ungesteuerte Produkte des Sprachkontakts sind und die anderen konstruierte Kunstprodukte oft eines einzelnen Erfinders darstellen. Um die Zeit, als Kolonial-Deutsch (und auch Weltdeutsch) verfasst wurden, waren eine enorme Anzahl von Vorschlägen für künstliche Sprachen im Umlauf, wobei der Höhepunkt der Blütezeit der künstlichen Sprachen Ende des 19. Jahrhunderts schon wieder abgeflaut war. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über einige wenige der wichtigsten und bekanntesten künstlichen Sprachen, die zwischen 1880 und 1928 geschaffen wurden16.
Beispiele von bekannten künstlichen Sprachen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts
Aposteriori: basiert auf einer oder mehrern natürlichen Sprache/n
Apriori: basiert auf philosophischen Prinzipien, nicht (zumindest nicht bewusst) an eine natürliche Sprache angelehnt
Sprache | Erfinder | Jahr | Kommentar |
Volapük | Johann Martin Schleyer | 1880 | Aposteriori; basiert hauptsächlich auf Englisch und Deutsch |
Lingualumina | Frederick William Dyer | 1875 | Apriori |
Chabé Abane | Eugène Maldant | 1886/87 | Apriori |
Esperanto | Ludwig L. Zamenhof | 1887 | Aposteriori; hauptsächl. westeuropäischer Wortschatz, slavischer Einfluß auf Syntax |
Völkerverkehrssprache | Carl Dietrich | 1902 | Apriori |
Idiom Neutral | V. K. Rosenberger | 1902 | Aposteriori; basiert auf romanischen Sprachen |
Interlingua | Giuseppe Peano | 1903 | Aposteriori; Latein ohne Flexionen |
Lingua Internacional | 1905 | Aposteriori | |
Mondlingvo | 1906 | Aposteriori | |
Ido | Louis de Beaufront oder Louis Couturat | 1907 | Aposteriori; modifizierte Version von Esperanto |
Romanal | WA Micheau | 1909 | Aposteriori; basiert auf romanischen Sprachen |
Ro | Edward Powell Foster | 1913 | Apriori |
Weltdeutsch | Adalbert Baumann | 1916 | Aposteriori; basiert auf Deutsch |
Occidental | Edgar von Wahl | 1922 | Aposteriori; basiert weitgehend auf romanischen Sprachen |
Novial | Otto Jespersen | 1928 | Aposteriori; hauptsächlich Ido Vokabular und Occidental Grammatik |
Quellen: Crystal (1987: 353), Libert (2000)
Dieser Zeitraum brachte nicht den allerersten Boom für künstliche Sprachen. In früheren Zeiten, vor allem im 17. Jahrhundert, hatte es ein ähnlich starkes Interesse an diesem Thema gegeben. Damals beruhten jedoch die meisten Versuche eine künstliche Sprache zu konstruieren auf philosophischen Prinzipien und nicht auf natürlichen Sprachmodellen, wie Libert in seinen Ausführungen zu den sogenannten apriorischen Sprachen verdeutlicht:
"[…] some artificial languages have not (or at least not consciously) been based on one or more natural languages. These have been called 'a priori languages'. There might be several motivations behind the creation of such languages: the desire to make a neutral language, or a language following rules of logic or reflecting reality more clearly than natural languages. Often the term 'a priori' seems to be applied only or mainly to the vocabulary of a language, and this might be the part of language that would be the easiest to build from scratch; however, one can also attempt to create an a priori grammar" (Libert 2000: 1) |
Im Gegensatz zu den vorherrschenden Modellen des 17. Jahrhunderts ist es auffällig, dass es sich um die vorletzte Jahrhundertwende (19. auf das 20. Jh.) bei der Mehrheit der Vorschläge um aposteriorische Sprachen handelt, d.h. Hilfssprachen, die sich an natürlichen Sprachen orientieren (und normalerweise mit einer speziellen Sprache oder Sprachgruppe assoziiert sind). Die Beweggründe hinter diesen verschiedenen Orientierungen sind recht verschieden: Erfinder von apriorischen Sprachen versuchen eine Sprache zu bilden, die für alle Sprecher neutral ist, die auf den Regeln von Logik und Philosophie basieren; dahingegen versuchen die Vertreter der aposteriorischen Sprachen lediglich die Komplexität und die "Unordnung" in einer natürlichen Sprache (oder einer Synthese von mehreren natürlichen Sprachen) zu reduzieren. Umberto Eco macht dies bei seiner Definition von aposteriorischen Sprachen deutlich:
Kriterien dieser Sprache sind zunächst die Vereinfachung und Rationalisierung der Grammatik (die schon von den apriorischen Sprachen versucht worden war), aber nach dem Vorbild der natürlichen Sprachen, und dann die Schaffung eines Wortschatzes, der alle Benutzer so stark wie möglich an die Wörter der natürlichen Sprachen erinnert. In diesem Sinne wäre eine Welthilfssprache […] eine aposteriorische Sprache, da sie aus einem Vergleich und einer ausgewogenen Synthese der existierenden natürlichen Sprachen hervorgehen würde. (Eco 1994: 323) |
Die Gründe für eine Verschiebung des Fokus von apriorischen auf aposteriorische Sprachen mögen vielfältig sein, ein schwerwiegender unter ihnen sicherlich auch der relativ geringe Erfolg der apriorischen Sprachen. Zusätzlich jedoch hat bestimmt auch der Anstieg der und das erhöhte Bewusstsein für eine internationale Kommunikation für einen begrenzten Zweck eine Rolle gespielt. Nicht zufällig fällt in genau die Blütezeit dieser Sorte von künstlichen Sprachen auch der Höhepunkt der Kolonialzeit. Die Erfahrungen aus den natürlichen Prozessen der Regelvereinfachung, die in Pidgins und Jargons im Kolonialkontakt gemacht werden konnten, könnten hier eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben. In diesem Sinne können Pidgins in der Tat als Modelle für künstliche Sprachen gelten.
Ironischerweise funktionieren künstliche Sprachen am besten, wenn sowohl die Zahl der Benutzer und Benutzerinnen als auch die Funktionen, für die sie eingesetzt werden, stark beschränkt bleibt. Volapük, beispielsweise, kollabierte Ende des 19. Jahrhunderts zu dem Zeitpunkt als sein Erfinder, Johann Martin Schleyer, die Kontrolle über die vielen Modifizierungen, weiteren Vereinfachungen und Restrukturierungen verlor, die die stark angewachsene Zahl der Sprecher und Sprecherinnen machte17 sozusagen als die Benutzer die Sprache kreativ zu verwenden begannen. Umberto Eco schreibt in seinem Buch Die Suche nach der vollkommenen Sprache "es ist dies die Tragik aller Projekte künstlicher Sprachen: Wenn ihre frohe Botschaft kein Gehör findet, bewahren sie sich ihre Reinheit; wenn ihre Botschaft sich aber verbreitet, fällt die Sprache in die Hände der versammelten Proselyten und wird, da das Bessere der Feind des Guten ist, 'babelisiert'" (1994: 324).
In diesem Sinne sind natürliche Simplifizierungen von Sprache, wie man sie in Pidgins findet, gerade aufgund ihrer stärkeren Flexibilität und weniger strikten Regelmäßigkeit sehr viel erfolgreicher als ihre mechanischen Imitationen.
Über das potenzielle Schicksal von Kolonialdeutsch, wäre es denn in dem ihm zugedachten Rahmen eingesetzt worden, kann man nur spekulieren. Es scheint jedoch sehr zweifelhaft dass dieser sehr künstlichen Sprachsituation für sowohl eine kleine Anzahl deutscher Muttersprachler und einer größeren Zahl von Sprachlernern Erfolg beschieden wäre ohne und das scheint das wahrscheinlichste Szenario zu sein dass die Regeln in der kreativen Anwendung eine Phase der Diffusion durchlaufen hätten, um sich dann womöglich neu zu fokussieren.
Wie bereits zu Beginn dieses Beitrages erwähnt wurde, bleibt Kolonialdeutsch eine historische Fußnote, sowohl für die Forschung über koloniale Sprachpolitik, als auch für die Untersuchung von künstlichen Sprachen. Zur Zeit der Publikation von Kolonialdeutsch hatte sich bereits die politische Situation verändert und Südwest Afrika war unter südafrikanischer Kontrolle. Am Ende des ersten Weltkrieges waren schließlich auch die kolonialen Expansionsträume Deutschlands zu einem Ende gekommen und Kolonialdeutsch verschwand unwiderruflich in den Archiven der Kolonialgeschichte.
Anonym (1907): Südwest-Afrika deutsch oder britisch? Leipzig: Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung.
Baumann, Adalbert (1916): Das neue, leichte Weltdeutsch
Bickerton, Derek (1981): Roots of Language. Ann Arbor: Karoma Press.
Crystal, David (1987): "Artificial languages", in: The Cambridge Encyclopedia of Language. Cambridge: Cambridge UP, 352356.
Deumert, Ana (2003): "Markedess and salience in language contact and second language acquisition evidence from a non-canonical contact language", in: Language Sciences 25: 561613.
Eco, Umberto (1994): Die Suche nach der vollkommenen Sprache. [Ricerca della lingua perfetta nella cultura europea, Übersetzung Burkhart Kroeber]. München: Beck.
Ethnologue (2004): "Languages of Namibia", http://www.ethnologue.com, accessed 03. September 2004.
Gleichen, Raimund Freiherr von (1914): Ratschläge für angehende Farmer in Deutsch Südwest Afrika. Berlin: Dietrich Reimer.
Grimm, Hans (1928): Die dreizehn Briefe aus Deutsch-Südwest Afrika. München: Albert Langen.
Hinnenkamp, Volker (1982): Foreigner Talk und Tarzanisch. Eine vergleichende Studie über die Sprechweise gegenüber Ausländern am Beispiel des Deutschen und des Türkischen. Hamburg: Buske.
Klein, Wolfgang & C. Perdue (1997): "The Basic Variety (or: Couldn't natural languages be much simpler?)", in: Second Language Research 13 (4), 301347.
Kolonie und Heimat (1911): Eine Reise durch die deutschen Kolonien. Vol IV: Südwest-Afrika. Berlin: Verlag Kolonialpolitische Zeitschriften.
Libert, Alan (2000): A Priori Artificial Languages. München: LINCOM Europa. (= Languages of the World, 24).
Mühlhäusler, Peter (1984): "Tracing the roots of pidgin German", in: Language and Communication 4 (1): 2757.
Schmidt, Johann (1998): Geschichte der Universalsprache Volapük. Saarbrücken: Ed. Iltis.
Schwörer, Emil (1916): Kolonial-Deutsch. Vorschläge einer künftigen deutschen Kolonialsprache in systematisch-grammatikalischer Darstellung und Begründung. Diessen vor München: Huber, 62 Seiten.
1 Die größten Sprachgruppen werden in Ethnologue (2004) wie folgt angegeben: KWANYAMA: 713.919 Sprecher in Namibia zusammen mit Ndonga und Kwambi (1991 census); NAMA: 176.201 Zugehörige in Namibia (1992 Barnard), bestehend aus 70.000 Nama und 105.000 Damara (1998 J.F. Maho); HERERO: 113.000 in Namibia (1991 census). 2 Gemeint ist hier Englisch als Muttersprache. Als Verkehrssprache und offizielle Sprache ist Englisch natürlich sehr viel weiter verbreitet. 3 Hier ist eine deutsche Standardvarietät (Hochdeutsch) gemeint, nicht das in 3. diskutierte "Küchendeutsch" (siehe Deumert, im Druck). 4 In Grimm (1928: 25) wird auf eine Volkszählung von 1926 verwiesen, laut der damals insgesamt 24.200 Weiße (nicht näher spezifiziert) und 235.000 "Farbige" in Südwest-Afrika lebten, in der sogenannten Polizeizone (dem eigentlichen Kolonisationsgebiet) war das Verhältnis 24.000 Weiße zu 91.000 Einheimische. 5 Mit Bezug auf die damalige deutsche Kolonie Deutsch-Ostafrika (Tanganijka) gilt dies auch für Swahili, das in diesem Gebiet Verkehrssprache war (und ist) auch für die deutschen Kolonialherren: "Daß dem Durchschnitts-deutschen (der z.B. bei Kisuaheli meist über eine Art von "Pidgin-Kishuaheli" nicht hinauskommt) die sehr unerwünschte Rolle des radebrechenden, sprachlich Unbeholfenen und Unterlegenen, statt umgekehrt, zufallen muß, ist ein sicher nicht bedeutungsloser Grund für die baldige Einführung des K.D." (Schwörer 1916: 24). 6 Allerdings ist die Motivation, nämlich die Behauptung der deutschen Sprache gegenüber dem "Vormarsch" des Englischen, ähnlich der des Kolonialdeutsch, wie z.B. im folgenden Absatz deutlich wird (Weltdeutsch ist in einer Art phonemischen Schreibweise verfasst): "in disem kampfe hat England ainen ungeheüren fortail in der umfasenten ferbraitung sainer laichten sprache, di fon 1/10 der mensh-hait gesprochen wird. es gehört fer-blendung dazu, di bedeütung dises for-sprunges zu fer-kenen oder zu untershäzen. innerhalb unseres blokes mus selbst-ferständlich sowol aus politishen wi kulturelen gründen di deütshe sprache di ainhaitliche ferkers- und hilfs-sprache sain" (Baumann 1916: 6) 7 Da Swahili damals (und heute) Verkehrssprache in Tanganjika, der anderen großen deutschen Kolonie im Osten Afrikas war, ist dies für einen Ex-Kolonialbeamten nicht unwahrscheinlich. 8 Anders als eine im H.D. ebenfalls gebräuchliche "Befehlsform", nämlich die Stellung der Infinitivform nach dem Objekt, z.B. "Wasser holen!" 9 Wie Baumann (1916: 11) ausführt, sind "di grösten shreken der deütshen sprache […], aine regellose recht-shraibung, mit der selbst der deütshe maist nicht zurecht komt. […] der deütshe hat z.b. für das lange i fünf fer-shidene shraib-arten, di der sprach-laie nicht immer begründen kann, nemlich i ie ih ieh und y, z.b. mir Bier ihr flieh Tyrann […]"
10 Schwörer verweist auf die dem "foreigner-talk" ähnlichen "baby-talk" Strategien in seiner ausführlichen Begründung für K.D.:"Jede Mutter hat für ihr Kind eine besondere Kindersprache. Warum sollen wir nicht auch der afrikanischen Umgebung Rechnung tragen? Warum wollen wir gerade von den dortigen Eingebornen ein korrektes Deutsch verlangen, das wir selbst so oft nicht sprechen?" (Schwörer 1916: 26).
11 Derek Bickerton hat 1981 eine 12-Punkte-Liste von sprachlichen Merkmalen aufgestellt, die typischerweise in Kreolsprachen unabhängig von den konkreten sprachlichen Einflüssen vorkommen.
12 Allerdings ist die Liste etwas irreführend. So wird z.B. Kolonialdeutsch der Wegfall von bestimmten Artikeln zugeordnet, was sich weder aus der Beschreibung Schwörers noch aus seinen Sprachbeispielen schließen lässt.
13 Nicht jedoch von den muttersprachlich gesprochenen Kreolsprachen.
14 Deumert (2003: 576) gibt dies als einen repräsentativen Ausschnitt aus ihrem Gesamt-Corpus aus Interviews und Gesprächen mit 126 Sprechern und Sprecherinnen an (ca. 150 Aufnahmestunden an Datenmaterial).
15 Der eigentliche Fokus der Studie liegt auf der Rolle von Markiertheit und Salienz im Zweitspracherwerb.
16 Diese Übersicht gibt in der Tat nur einen kleinen Teil der damals zirkulierenden Menge an Vorschlägen für künstliche Sprachen wieder, sehr viele von ihnen waren auch Modifizierungen der erfolgreichsten dieser Sprachen, des Esperanto.
17 Bereits zehn Jahre nach seiner Erfindung hatte sich Volapük vorn Europa aus weltweit ausgebreitet, es existierten 1889 in Europa, Amerika und Australien 283 Volapük-Clubs mit Kursen, Diplomen und Zeitschriften (Eco 1994: 324, zur Geschichte von Volapük siehe auch Schmidt (1998).